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  • Philipp Hofer

Homeoffice verursacht Milliardenschäden



Die Corona-Krise macht das Arbeiten zu Hause zunächst zur Pflicht, dann zur Möglichkeit, von der viele Beschäftigte Gebrauch machen. Das hat viele Vorteile, stürzt aber ganze Branchen in die Krise.

Sollte der durch die Pandemie ausgelöste Trend zum Arbeiten im Homeoffice anhalten, steht der Wirtschaft ein Milliardenschaden ins Haus. Eine detaillierte Studie des Beratungsunternehmens PWC am Beispiel von Großbritannien kommt zu dem Schluss, dass - positive und negative Effekte aufgerechnet - die Volkswirtschaft insgesamt Einbußen von rund 15,3 Milliarden Pfund (16,6 Milliarden Euro) pro Jahr erleiden dürfte, sollte nicht ein Großteil der Büroangestellten an ihre Arbeitsplätze zurückkehren. Hunderttausende Jobs könnten vernichtet werden.

Entsprechende Daten zu Deutschland gibt es bislang nicht. Die von den britischen Ökonomen analysierten Effekte träten hierzulande allerdings in vergleichbarer Weise auf, sagt Philipp Wackerbeck, Partner bei PWC Strategy& in Deutschland und verantwortlich bei dem Beratungskonzern für Modellrechnungen zur Auswirkung der Corona-Krise auf unterschiedliche Branchen und Unternehmen. "Von der Arbeit im Büro hängt eine lange Wertschöpfungskette ab, von den Betreibern der Immobilien und den Vermietern über Projektentwickler, Makler, Architekten, Bauunternehmen", sagt Wackerbeck im Gespräch mit ntv.de. Dazu kommen Dienstleister und Zulieferer wie Reinigungsunternehmen, Sicherheitsfirmen, IT-Ausstatter, Büromöbelhersteller und viele mehr.

Doch nicht nur diese Bürobranche im engeren Sinne leidet bereits unter dem Homeoffice-Trend. "Vor allem in den großen Städten ist ein ganzes Ökosystem von Unternehmen um die Büroarbeiter gewachsen. Dazu gehören die Gastronomie, die sie vor allem mittags versorgt, Einzelhändler, Verkehrsunternehmen und auch Tankstellen", erklärt Wackerbeck. Anhand einer Umfrage unter Büroangestellten und der Analyse von Unternehmensdaten ermittelt die Studie für Großbritannien volkswirtschaftliche Verluste von 4,3 Milliarden Pfund im Jahr direkt durch sinkende Ausgaben fürs und im Büro. Das wiederum führt zu weiteren 3,3 Milliarden Pfund Verlusten bei Unternehmen entlang der Wertschöpfungskette. Arbeitsstunden im Umfang von 250.000 Vollzeitstellen könnten wegfallen. Das wiederum führt den Kalkulationen der Ökonomen zufolge zu 4,5 Milliarden Pfund an wirtschaftlichen Einbußen durch geringen Konsum der betroffenen Arbeitnehmer.

Großstädte könnten Verlierer werden

Dazu kommen weitere Verluste von rund 3,2 Milliarden Pfund für die Wirtschaft durch etwas, das die Ökonomen einen Rückgang des Agglomerationseffekts nennen. Wirtschaftliche Zentren mit vielen Beschäftigten und Unternehmen verschiedener Branchen auf engem Raum sind volkswirtschaftlich gesehen besonders effizient. Durch die Arbeit vieler Menschen im Homeoffice verlagert sich wirtschaftliche Aktivität in weniger effiziente ländliche Räume. Das führt in der Summe zu einem Rückgang der Wirtschaftsleistung.

Trotz dieser Einbußen kann dieser Effekt allerdings politisch durchaus gewünscht sein. Denn während in den Ballungszentren in Großbritannien wie in Deutschland Wohnungsnot herrscht, veröden ländliche Regionen und leiden darunter, dass gerade hoch qualifizierte Arbeitnehmer in die Städte abwandern. Hier könne der Homeoffice-Trend positiv sein, sagt Wackerbeck, allerdings müssten vor allem die Städte sich aktiv auf Veränderungen einstellen. "Sonst sind die Großstädte und ihre Bewohner am Ende die Verlierer der Entwicklung, wenn die wirtschaftliche Aktivität und damit die Lebensqualität zurückgeht, während es keineswegs abzusehen ist, dass die hohen Mieten und Lebenshaltungskosten sinken."

In Deutschland lange verpönt Nicht genau zu beziffern und daher nicht mit in die Berechnung eingeflossen ist der Effekt des Homeoffice auf die Produktivität der Büroangestellten selbst und damit auf ihre Arbeitgeber. Gewaltige positive Auswirkungen dürfte die Zeitersparnis durch das Wegfallen des Pendelns haben. Einer Umfrage eines Karriereportals zufolge hat knapp die Hälfte aller Beschäftigten in Deutschland einen Arbeitsweg von mehr als einer halben Stunde.

Gerade Akademiker verbringen oft noch viel mehr Zeit auf dem Weg ins oder vom Büro. Ein Teil dieser Zeit, das hat jedenfalls die Umfrage unter den britischen Angestellten ergeben, kommt dem Arbeitgeber als Mehrarbeit zugute. Und auch ein Freizeitgewinn könnte - durch eine höhere Zufriedenheit - die Produktivität von Beschäftigten steigern.


Dem gegenüber stehen allerdings Probleme durch weniger direkten Kontakt zwischen Kollegen und mit Kunden. Der spontane Austausch von Informationen und Ideen sei erheblich gestört. Das betreffe vor allem junge Mitarbeiter, die weniger von der Erfahrung Älterer lernen könnten. Ob Vor- oder Nachteile langfristig überwiegen, sei noch nicht absehbar, sagt Wackerbeck. Die Erfahrungen vieler Beschäftigter mit der großteils zwangsweisen Arbeit im Homeoffice in den vergangenen Monaten, während sie oft auch ihre Kinder zu Hause betreuen mussten, sei nicht einfach auf die Zukunft übertragbar. "Spannend wird es jetzt, wenn Mitarbeiter freiwillig im Homeoffice arbeiten können, wenn es für ihre Funktion und aktuelle Aufgabe geeignet ist." Besonders für Deutschland sieht Wackerbeck Vorteile. " Im Vergleich zu anderen Ländern galt das Arbeiten von zu Hause in Deutschland in vielen Unternehmen bislang als geradezu verpönt." Wenn Unternehmen dem Homeoffice nun offener gegenüberständen, könnten sie davon sicher profitieren.

Quelle: ntv.de Foto von bongkarn thanyakij von Pexels

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